Donnerstag, 21. Mai 2020
Verbunden im Himmel
An(ge)dacht zu Christi Himmelfahrt 2020
von Pfarrer Thomas Vogt, Adventskirche Niedervellmar
Alles war anders. Die Atmosphäre, deren Duft von Zypressen, Oliven- und Zitronenbäumen und Granatapfelbüschen ausstrahlte. Die Sprache, die ich anfangs nur mühevoll verstand, die fremden Klänge, die über sommerwarme Plätze hallte, Santa Lucia und Befana, die das Weihnachtsfest in einem unvertrauten Glanz erscheinen ließen, die Kittelchen, die unsere Töchter in Kindergarten und Schule trugen, die Sturheit und Unnachgiebigkeit von unzufriedenen Behördenangestellten, die unser Fremdsein unberührt ließ. Die Geduld der anderen, die ohne Murren bereit waren, sich in unübersehbar langen Schlangen einzureihen an den Fahrkartenschaltern der Bahnhöfe, bei der Post, beim Einwohnermeldeamt. Kartoffeln, die auf einmal schmeckten wie Chianti auf einem mitteldeutschen Weihnachtsmarkt.
Aus vielen Urlaubserinnerungen wurde Alltag. In Italien, wo unsere Familie für vier Jahre leben und arbeiten sollte. Die Fremdheit, die mich als Tourist bisher immer in seinen Bann zog, wich einem Gefühl des Ausgeliefertseins. Gewohnte Abläufe gerieten ins Wanken. Der Weg zur Pfarrkonferenz brauchte nicht mehr 30 Minuten, sondern 6, manchmal 8 Stunden per Bahn oder Flugzeug sogar, irgendwo zwischen Meran und Catania unterwegs. Der Weg zum Gottesdienst nicht mehr 5 Minuten, sondern 2 Stunden. Die Sehnsucht nach vertrauten, bewährten Abläufen verfolgte mich in nächtliche Träume.
Christi Himmelfahrt feiern wir. Die gewohnten Abläufe waren außer Kraft gesetzt. 40 Tage seit Ostern sind es, in denen Jesus als der Auferstandene den Freundinnen und Freunden ungewohnt und anders begegnete. Nichts mehr war wie vorher. Sein Erscheinen nur noch kurz, unhaltbar und nicht zu greifen. Der Abschied von Vertrautem bestimmte alles Bisherige. 40 Tage, um sich daran zu gewöhnen: An die neue Wirklichkeit, an Trauer und Schmerz.
Über Christi Himmelfahrt liegt der Schleier des Fremden. Einige Mutige kommen dennoch zusammen, lassen sich auf den beängstigenden Ablauf ein, um endgültig von eingespielten Lebensmustern Abschied zu nehmen. Ihr Blick richtet sich nach oben, zum Himmel. Er ist der gleiche geblieben in seinem tiefen Azurblau, seinen sanften Wolken und unzähligen Gestirnen in der Dunkelheit. Unter diesem Himmel haben sie miteinander das Abendmahl gefeiert, Menschen geheilt von Angst und Krankheit, gebetet und geschwiegen mit IHM. Und sie spüren - trotz allem – die Tragfähigkeit des Firmaments, das über allen Veränderungen bleibt.
Wenn ich nach oben schaute, den Himmel betrachtete über all dem Gewusel unvertrauter Gepflogenheiten und Ansichten in einem fremden Land, dann konnte ich etwas spüren von der bleibenden Gewissheit vertrauter Abläufe. Ich ahnte plötzlich, was Liebende über weite Distanzen miteinander verbinden kann. Der gemeinsame Blick in den Himmel, zu dem sie sich minutengleich verabreden und sie etwas ahnen lässt von ihrer Untrennbarkeit über hunderte, gar tausende Kilometer. Und ich begreife etwas von dem langanhaltenden Trost der Trauerenden, die ihre Geliebten aufgehoben wissen in der Grenzenlosigkeit des Alls, gehalten von der Kraft des Himmels, der über uns allen mit absoluter Gewissheit bleibt, wo immer wir sind, dessen Licht und Dunkelheit uns leitet, wohin der Weg uns führt.
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Sonntag, 17. Mai 2020
Bitten und Beten
An(ge)dacht zum Sonntag Rogate (Betet) 2020
von Pfarrer Thomas Vogt, Adventskirche Niedervellmar
Ich drehte noch ein paar Runden ums Telefon im Wohnzimmer der Eltern. Bestimmt eine Stunde schon. Und legte mir die passenden Worte immer und immer wieder zurecht. Leicht zittrig und mit feuchten Händen nahm ich den orangenen Telefonhörer in die Hand und tippte die Telefonnummer ein, die ich mittlerweile schon auswendig aufsagen konnte. Eigentlich war es doch so einfach: „Hättest Du Lust Dich mit mir nächste Woche mal zu treffen?“ Sprach ich es in den Telefonhörer mit gebrochener und aufgeregter Stimme hinein. Sie hatte so etwas Besonderes, Geheimnisvolles, unerreichbar. Für mich.
Manchmal ertappe ich mich heute noch dabei Runden ums Telefon zu drehen. Bis ich so weit bin, endlich die richtigen Worte auf den Lippen habe. Wenn ich jemanden um etwas bitten möchte, was mir wichtig ist, tue ich mich noch immer schwer. Die angemessene Bitte braucht Vorbereitung, braucht treffende, mitunter berührende Worte, die im Gegenüber etwas zum Schwingen bringen.
Ums Bitten und Beten geht es heute am Sonntag Rogate (Betet). Schier unendlich ist das Repertoire an formulierten Gebeten durch die Jahrhunderte. Manche sprechen mich sofort an, weil sie das Leben in alle ihrer Unwegsamkeit ernst nehmen. Martin Luthers Morgen- und Abendsegen, in aller Bitte um ein gelungenes Leben, Wort für Wort so viel Erfahrungsschatz von Unverfügbarem und Möglichem in meinem Leben.
Wohltuend, ergreifend ist es, wenn wir mit den Sängerinnen und Sängern unseres Gospelchores zwei Minuten vor dem großen Auftritt in der Adventskirche in einem großen Kreis einander an den Händen halten, tief durchatmen und mit jedem Wort der Druck und die Aufregung einem tragfähigen Vertrauen weicht. Ich erinnere mich aber auch an Menschen, die zu allen möglichen Anlässen Gebete formulieren, und andere selbstdarstellerisch damit mundtot gemacht haben. Nicht enden wollende, aneinandergereihte Floskeln, die Abwehr erzeugen. Denen jede Frische, jedes Fingerspitzengefühl fehlt. Solche Erinnerungen machen das Beten zuweilen schwer.
Gerade deshalb fasziniert sie mich immer noch: Die Frische der Erzählung, diesem Sonntag zugeordnet, vom bittenden Freund, der an Unverschämtheit und Direktheit nicht zu überbieten ist. Mitten in der Nacht klingelt der Freund an der Tür des Familienvaters und bittet um Hilfe und Unterschlupf (Lukas 11, 5-13). Ungelegener geht nicht. Aber die Bitte kommt so sehr aus tiefem Herzen, dass er einfach nicht abgeschlagen kann und alles möglich macht.
16 oder 17 Jahre bin ich damals gewesen, als ich allen Mut zusammennahm und die Telefonnummer in den orangefarbenen Apparat tippte. Aus einem Treffen ist nie etwas geworden. Es ist wie mit unseren Bitten und Gebeten. Aus vielen wurde nichts. Aber allein das Bitten verändert etwas. Macht mich bescheidener und demütiger, aber auch mutiger mit Blick auf die begrenzten Möglichkeiten meines Lebens. Jede Bitte und jedes Gebet als Ausdruck meiner Sehnsucht verändert etwas in mir, erweitert den Horizont des Möglichen. Und gar nicht so selten lässt sich das Herz der Angebeteten erweichen. Bei den Menschen und bei Gott.
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Sonntag, 10. Mai 2020
194 Länder
An(ge)dacht zum Sonntag Kantate 2020
von Pfarrer Thomas Vogt, Adventskirche Niedervellmar
Jetzt kann jeder die Frage sofort beantworten. Ja: Es gibt 194 Länder auf dieser Welt. Seit Mark Forsters Ohrwurm kann man ganz schön „klugscheißen“. Ich mag das Lied, den Klang, die Melodie und die Sehnsucht, die aus ihm spricht. Die Welt in all seinen Facetten, seiner Erhabenheit und seinen Niederungen entdecken. Die Menschen, die Sprachen verstehen. Und sich frei fühlen. Lieder setzen uns in Bewegung, zaubern ein Lächeln auf unser Gesicht, Tagträume vor meinem inneren Auge und ich bin mal kurz weg oder ganz woanders.
Heute feiern wir den Sonntag Kantate: Singet! Von Anfang an wird gesungen in der christlichen Tradition. Man hört sie aus ihren Katakomben, Wohnungen, Kapellen, Dorfkirchen und Kathedralen mit schiefen Tönen, krächzend und immer wieder erhaben und glänzend. Die Bibel ist voll von Liedern und Melodien. Bis heute sind die Musizierenden das Fundament der Kirchen. Leidgeprüft und außer sich vor Glück erheben sie ihre Stimmen, um echte Gefühle und wahre Geschichten zu einem großen Chor der Stimmen zu erheben.
Ein Lied ist dann gut, wenn es etwas Echtes beschreibt, resümiert Mark Forster bei einem Interview. Und jedes seiner Lieder ist wie eine Predigt, nur oft viel besser, weil sie ohne moralisierenden Zeigefinger und ohne autorisierter Dogmatik und ohne strategische Abwägung einfach vom Leben singen, wie es nun einmal ist. Auch die 150 Psalmen aus der unmittelbaren Erfahrung des Lebens und Sterbens, ohne den Druck nach wohlfeilem Schnörkel, singen von Kummer, Bedrängnis, Angst, von Liebe, Gelöstheit und Befreiung.
Lieder brauchen Erfahrung der Abgründigkeit ebenso wie der Verschmelzung. Man muss auf dem Zahnfleisch gegangen sein und bis zu den Sternen gegriffen haben. Inspiriert hat Mark Forster bei seinen „194 Ländern“ sechs Wochen Pilgern auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Er beschreibt diese Wochen wie ein ganzes Leben. Am Anfang braucht man Zeit, um überhaupt hereinzukommen, dann verfällt man einem sportlichen Ehrgeiz, dann ist man voll drin und am Ende findet man schade, dass alles vorbei ist.
So ist es bei jedem guten Lied, das ich zum ersten Mal höre. Ich muss erst mal reinkommen. Manche schaffen es dann in die TopTen, wir wollen sie immer und immer wieder hören. Weil sie so sehr an das eigene Gefühl appellieren. Schließlich sollen der Klang und die Worte niemals enden und wir wollen es noch mal und noch mal hören, vielleicht sogar mitsingen.
Eine doppelte Sehnsucht wird in mir wach. Die Lust gemeinsam zu singen und die Lust auf die Ferne der 194 Länder. Beides ist uns momentan nicht so leicht möglich. Musizieren geht nur alleine oder online und die Grenzen nach außen sind noch dicht. Aber am Horizont bahnt sich aus der Dunkelheit das Morgenrot seinen Weg in die Atmosphäre.
Paul Gerhardt, der evangelische Liederdichter, der selbst durch so viele Epidemien, in Angst und Abschied, Generationen von Menschen mit seinen Chorälen aus der Depression geholt hat, lässt es einmal so aus seiner Feder fließen: „Nach Meeresbrausen und Windessausen, leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht“ (EG 449.12). Trotz aller Angst und so mancher Bedenken eröffnen sich dieser Tage neue Anfänge. Gott sei Dank!
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3. Mai 2020
Ein(e) andere(r) werden
An(ge)dacht zum Sonntag Jubilate 2020
von Pfarrer Thomas Vogt, Adventskirche Niedervellmar
Für die nächsten Jahre sollten wir dort leben. Im Land, in dem die Zitronen blühen, wie Goethe überschwänglich resümierte. Selbst am neuen Wohnort in Norditalien, auf der anderen Seite des Gardasees zumindest, konnte man die kleinen weißen Knospen der knochigen Zitronenbäume mit ihrem unverwechselbaren Duft an den Uferstraßen bewundern und sich von deren Duft betören lassen. Inspiriert von all diesen neuen Eindrücken, da habe ich zumindest gehofft: Ein anderer zu werden.
Andere werden können. Das ist das Thema dieses dritten Sonntags nach Ostern. Der Apostel Paulus versucht für dieses Lebensgefühl Worte zu finden: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Das ist die Grundmelodie der Geschichten und Episoden des Neuen Testamentes. Da haben Menschen neu angefangen und alte Gewohnheiten und eingespielte Muster hinter sich gelassen. Paulus wurde von einem Feind der Christen zu einem Liebhaber der Ideen und Aufopferung des Wanderpredigers aus Nazareth. Voller Dramatik wird beschrieben, wie er infolge eines Sturzes mit neuen Augen auf die Welt sah. Es bedarf der Krise, um ein anderer zu werden.
Das Evangelium weiß: Es muss nicht unbedingt ein Ortswechsel sein, es reicht eine neue Einsicht, eine neue Situation, eine neue Begegnung, die alles Bisherige in Frage stellen kann. Fest gezurrte Überzeugungen geraten ins Wanken, werden brüchig und scheinen sich wie von selbst zu überholen. Moralapostel kommen den eigenen Ansprüchen nicht hinterher, Träumer werden geerdet und Nüchterne entdecken plötzlich einen tieferen Sinn.
Werden wir andere durch die derzeitige Krise? Oder werden wir, wenn es vorbei ist, wieder zur Tagesordnung zurückkehren, als sei nichts gewesen. Alles wird davon abhängen, wie wir diese Zeit im Rückblick deuten werden: Als „Delle, mit schneller Wiederkehr zur Normalität“, „als „Aufstieg der totalen staatlichen Kontrolle“, als „Versagen der egomanisch Mächtigen“, bleiben „Bilder des Leidens von einsam Sterbenden“ oder werden wir vor allem unser Augenmerk darauf richten, wie stark die „Solidarität und Hilfe untereinander“ uns verändert haben. Davon wird abhängen, ob ein „Weiter so!“ oder eine „grundlegende Korrektur“ der Lebensgewohnheiten folgen wird. Fest steht. Jede und jeder muss diese Frage für sich selbst beantworten. [vgl. die Einsichten von Fritz Breithaupt: „Erzählt die Zukunft“, aus: DIE ZEIT vom 23.04.2020, S. 35]
Bin ich durch meine Erfahrungen als Pfarrer in Italien ein anderer geworden? Sicherlich. Es sind die ganz anderen Strategien der Bewältigung gewesen, die Bereitschaft mit Weniger auszukommen, als Evangelische in der Minderheit zu sein, die Leichtigkeit des Lebens auch. Sprache und Kultur, neue Möglichkeiten der Wahrnehmung des Lebens. Menschen sind in der Geschichte des Glaubens immer wieder zu anderen geworden, in dem sie neuen Erfahrungen Sinn und Tragfähigkeit verliehen haben. Die Bibel ist das Konzentrat solcher Einsichten. Aus dem Konzentrat neuer Erfahrungen haben sich Glaubende verändert, sind andere geworden und haben die Welt immer ein Stück weit neu werden lassen.
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Sonntag, 26. April 2020
Voll eingeschenkt bekommen
An(ge)dacht zum Sonntag Misericordias Domini 2020
von Pfarrer Thomas Vogt, Adventskirche Niedervellmar
Das gekühlte Radler war einfach nur eine Wohltat. Völlig ausgedörrt und erschöpft wurde es mir im Garten hinter dem Haus in die Hand gedrückt. Das Zischen beim Öffnen der Flasche und dann der erste Schluck. Zurück vom ersten „Holzmachen“, wie es in Ottrau hieß, meiner ersten Pfarrstelle zwischen Schwalm und Knüll. Wenn man sich in den Wald begab und aus rohen und schweren Stämmen Brennholz machte, dann wurde es echt anstrengend.
In den Biergarten am Großhesseloher See bei München zog es mich immer wieder magisch hin. Begleitet von Jazzmusik, nach geduldigem Schlange-Stehen, das Maß in der Hand. Nach staubtrockenen Dogmatik-Seminaren und Examensvorbereitungen. Endlich eingeschenkt bekommen. Voll und schwer beladen zu einem schattigen Platz unter blühenden Kastanienbäumen.
Die Fahrt war endlos nach Schkeuditz bei Leipzig, 1987 muss es gewesen sein, mit dem Auto zu unserer damaligen Partnergemeinde. Die nervenaufreibende Grenze geschafft, beladen mit Kaffee, Ananas und Bananen. Über die Betonplatten holperten wir gefühlt über viele Stunden in diesem nicht enden wollenden Gleichklang. Gegen Abend kamen wir an. Empfangen mit einem Glas Waldmeister-Brause, wie sie es im Osten nannten. Unvergessen.
Und die von einem Arbeitskollegen gereichte sprudelnde Flasche Wasser mitten in der 12-Stunden Schicht als Werkstudent bei den Farbwerken Hoechst Ende der der 80er Jahre, einfach nur wohltuend.
Heute feiern wir den Sonntag Misericordias Domini (übersetzt: Von der Barmherzigkeit Gottes). Barmherzigkeit findet seine Erzählkraft im guten Hirten, unvergessen in Psalm 23. Im Rhythmus der Flut an Bildern in Psalm 23 wird der Moment des Einschenkens – fast am Ende -schnell überlesen. Du schenkest mir voll ein. Neben den grünen Auen und dem frischen Wasser, der Bewahrung auf rechter Straße, ist das Einschenken ein besonderes Zeichen der Zuwendung. Der Psalm 23 ist die große Einladung, nach den Momenten erfahrener Barmherzigkeit Ausschau zu halten. In meinem Leben.
Es gibt viel zu entdecken und sich an Vieles zu erinnern. Menschen, die es gut gemeint haben mit mir. Die mich schon erwartet haben mit gefüllten Flaschen und vollen Gläsern. Die alles vorbereitet haben und sich auf mich gefreut haben.
Dieser Sonntag, zwei Wochen nach Ostern, möchte besonders an voll Eingeschenktes erinnern. An Menschen und Situationen, die einfach nur gut waren, und die mich bis heute tragen durch die Zeiten der Dürre. Und damit an die Kraft und das Potential erinnern, das ich so oft schon empfangen habe.
Dann kommt diese Freude über mich, anderen voll einzuschenken, dankbar die Fülle der überreichten vollen Flaschen und Gläser im Herzen. Ich begreife neu das Wort Jesu von der Barmherzigkeit, dem Thema des Sonntags: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit empfangen.
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Ostermontag, 13. April 2020
Pfarrrer Thomas Vogt schreibt:
"Ihr Lieben,
ein herzlicher Gruß zum Ostermontag. Die Geschichte der vom Tod Jesu noch so erschrockenen und traurigen Jünger auf dem Weg nach Emmaus steht heute im Mittelpunkt des Tages (Lukas 24, 13-35). Heute kommt mein Impuls mit einem Video, das Ihr ab 10 Uhr vormittags abrufen könnt unter:
Schickt es gerne weiter an Menschen, die sich daran freuen. Ich danke Euch an dieser Stelle ganz herzlich für so viele freundliche und weiterführende Reaktionen und Gedanken, die mich erreicht haben. Trotz aller Distanz, ich hatte immer das Gefühl, in einem intensiven Austausch mit Euch zu stehen. Ihr seid so wertvolle Menschen, die alle Ihr auf ihre Weise von der Osterbotschaft künden. Das wird mir gerade in diesen Tagen so deutlich klar."
Ostersonntag, 12. April 2020
Was bleibt?
Geistlicher Impuls zu Ostersonntag 2020
von Pfarrer Thomas Vogt, Adventskirche Niedervellmar
Und plötzlich rastlose Leere und lähmende Stille. Wenn wir einen Menschen zurücklassen mussten. Und kehren dann zurück. Der Abschied am Zug, am Bahngleis, am Terminal. Erinnerungen an die gemeinsame Zeit kommen intervallartig hoch: Lachen und diskutieren, Stimmen und Gesten, essen und entspannen, heiter und auch ernst war es und nah. Was bleibt? Diese bange Frage stellt sich immer, wenn wir von einem Menschen Abschied nehmen müssen. Wieder ins Gewöhnliche zurückkehren.
Besonders am Grab, bei diesen endgültigen Abschieden, ist das so. Irgendwann ist das letzte Wort gesprochen, die letzte Hand geschüttelt, der letzte Schluck Kaffee getrunken. Wir brechen auf, nach Hause. Mit den Erinnerungen, die wir gerade noch zulassen können, mit dem Schmerz, den wir ertragen müssen. Und der Leere, die bleibt.
Menschen gehen sehr unterschiedlich mit Abschieden um: Ziehen sich zurück, werden starr vor Schmerz, wälzen immerzu die alten Bücher und Fotoalben und Erinnerungen, andere verdrängen und kehren (vielleicht zu) schnell in den Alltag zurück, um zu vergessen, wieder andere suchen immer wieder den Weg zum Friedhof, zum Grab, wollen nah sein bei dem Menschen, der fehlt. Oder sie gehören - wie ich – zu den Hin- und Herläufern, die einfach nicht zur Ruhe kommen können.
Das Evangelium von Ostern berichtet: Die Frauen machten sich, früh am Ostertag auf, hin zum Grab Jesu. Sie zogen sich nicht die Decke über den Kopf, sie waren magisch angezogen von IHM. Wohlriechende Salböle hatten sie dabei für den Toten, um noch etwas Letztes tun zu können. Ihre Liebe ist so stark wie zu einem Lebenden, hat nichts verloren von ihrer Intensität.
Mit diesem Aufbruch der Frauen am frühen Morgen geschieht Ostern. In dieser unstillbaren Sehnsucht ereignet sich die Auferstehung. In dem Mut, sich dem Unabwendbaren auszusetzen und dennoch nicht aufzugeben.
Was bleibt? In ihrem Aufstehen gegen die Müdigkeit und den Schlaf des Todes bleibt so viel vom Aufbruch Jesu zu den Menschen. Bei ihm ging es immer wieder ums Aufstehen, ums Aufbrechen, ums Wachsein, um den Mut, die Kraft gegen alle Müdigkeit eines frühen, düsteren Morgens dennoch nicht leblos liegen zu bleiben.
Die Frauen signalisieren mit ihrem Aufsehen, Jesu Dynamik und Zugewandtheit, leben weiter. An diesem Morgen. In dem Vertrauen, dass seine Gedanken bleiben, in der Hoffnung, trotz des Unabwendbaren aufzustehen, von seiner Liebe redend und handelnd. Von Generation zu Genration haben Christen sich seit 2000 Jahren davon erzählt und Ostern gefeiert. Sie geben Kraft bis heute zum Aufstehen, erfahrungsgesättigt und unvergessen und geliebt mit den Worten des Apostels an seine Gemeinde in Korinth: „Es bleiben aber Glaube, Hoffnung und Liebe, die drei, die Liebe aber ist die größte unter ihnen“.
So wünsche ich Euch allen: FROHE OSTERN! Der Herr ist auferstanden!
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